2023

Aktuelle Themen und lebhafte Diskussionen auf dem 7. Oberurseler Werte- und Wirtschaftskongress in Oberursel

Transformation, Nachhaltiges Handeln als unternehmerisch Tätige und Gemeinwohlökonomie waren die Themen des Kongresses für werteorientiertes Wirtschaften

Am Freitag, 12. Mai 2023, war es wieder so weit. Zum siebten Mal wurden auf dem Oberurseler Werte- und Wirtschaftskongress aktuelle Themen besprochen. Über 100 Teilnehmende haben an dem Kongress vor Ort in der Klinik Hohe Mark oder auch online teilgenommen. Referentinnen und Referenten aus Gesellschaft, Wirtschaft und Politik diskutierten im Laufe des Tages die aktuell wichtigsten Aspekte werteorientierten Wirtschaftens. Prominenter Keynote-Speaker war der Frankfurter Jurist und Philosoph Prof. Michel Friedmann.

 

Keine Angst vor Veränderung

Nach Einstiegsplädoyers von IHK-Vizepräsident Klaus-Stefan Ruoff und Bürgermeisterin Antje Runge eröffnete der Kongress mit dem Thema „Alles im Wandel, Krisen als Normalzustand – unsere Gesellschaft auf Schlingerkurs“. Doch Krisen seien nichts anderes als Ausdruck der immerwährenden Veränderungen, früher wie heute, rückte Keynote-Redner Prof. Michel Friedman das Thema zurecht: „Mich überrascht, wie überrascht Menschen sind, wenn Krisen kommen“. Die Menschen würden nun einmal nicht gerne von Veränderungen „genervt“, so Friedmann, aber nur in der Demokratie haben Menschen und Unternehmen die Freiheit, sich so frei zu entwickeln. Er schloss mit den Worten: „Ich habe wenig Angst vor dem unbekannten Morgen. Es hat sich gezeigt, dass die, die stehengeblieben sind vor Angst, dann steckengeblieben sind. Und die, die sich in Bewegung gemacht haben, meist ein besseres Leben hatten. Daran sollte man auch denken, wenn Menschen zu uns flüchten.“

Daniel Mullis vom Leibniz Institut Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung ergänzte im folgenden Vortrag, wie sich der gesellschaftliche Zusammenhalt verändert. Um dem entgegenzuwirken, braucht es Haltung und Handeln von Politik, Wirtschaft und Menschen. Mullis forderte eine stärkere gesellschaftliche Diskussion darüber, wie unsere Welt und unsere Gesellschaft in Zukunft aussehen soll.

„Wir wollen die Welt enkelfähig übergeben“

Im zweiten Teil des Programms ging es darum, wie man es als Unternehmerin oder Unternehmer schafft, ganz konkret ins nachhaltige Handeln kommen kann. In einer offenen Fishbowl-Runde zeigten drei unternehmerisch Tätige, wie sie ihre Unternehmens erfolgreich auf nachhaltige Arbeitsweisen umgestellt haben. Der Bauunternehmer Matthias Krieger von K+S veranschaulichte, preiswerter Wohnungsbau unter Nachhaltigkeitsaspekten realisiert werden kann. Neben nachhaltigen Baustoffen und Energiekonzepten gehört dabei vor allem die Kooperation mit den Gemeinden und Städten, die entscheidenden Einfluss auf den wichtigsten Kostenfaktor haben – das Bauland. Dass es lohnenswert ist, an einer praxisorientierten Nachhaltigkeitsberatung teilzunehmen, zeigte Laura Radermacher von der BIRKHOVEN GmbH für Maßbekleidung. Das Familienunternehmen fokussiert sich auf nachhaltige Produkte in Kreislaufwirtschaft und hat sich damit eine starke Zielgruppe erschlossen. Matthias Bonsels entwickelt sein Weingut BIBO RUNGE unter ökologischen und sozialen Aspekten und arbeitet derzeit daran, ein Pfandflaschensystem für Weinflaschen zu initiieren. Aus gutem Grund, denn die Flasche ist für den größten Teil des CO2-Fußabdrucks von Wein verantwortlich. Im Fishbowl-Format hatten die Gäste Gelegenheit, selbst mit auf der Bühne Platz zu nehmen und sich in die Diskussion mit Beiträgen und Fragen einzubringen.

Soziale Innovation als Ergänzung zur technologischen Innovation

Der dritten Themenblock widmete sich der Gemeinwohlökonomie. Ein Konzept, das beim letzten Werte- und Wirtschaftskongress 2021 vorgestellt und heiß diskutiert wurde. Wegen des großen Publikumsinteresses wurde das Thema nun wieder aufgenommen und um Erfahrungsberichte von Unternehmern ergänzt, die entsprechende Gemeinwohl-Konzepte umgesetzt haben. Frederik Fischer berichtete über gemeinwohlorientierte Wohn- und Arbeitsprojekte außerhalb großer Städte, die die Neulandia UG initiiert hat: Beim „Summer of Pioneers“ tauschten Kreativschaffende und digital arbeitende Menschen für ein paar Monate Stadt gegen Land – und nicht wenige bleiben dann ganz da. Ein ähnliches, dauerhafteres Konzept verfolgen die sogenannten KoDörfer, in denen aussterbende Dörfer durch neue Gemeinschaften belebt und gerettet werden. „Ich glaube, dass soziale Innovation in Ergänzung zur technologischen Innovation es uns möglich machen wird, ein reicheres Leben zu leben. Lebensqualität ist eine Frage der Gestaltung“, so Frederik Fischer.

Wie der Ansatz der Gemeinwohlökonomie zu einer guten unternehmerischen Weiterentwicklung beitragen kann, zeigte Carsten Helms von der Hotelgruppe Upstalsboom. Er hob u.a. die hohe Bedeutung einer ausgeprägten Willkommenskultur hervor – gegenüber Gästen aber auch gegenüber den Mitarbeitenden. Hubertus Spieler vom TEAM BENEDIKT war überrascht, als er nach dem Kongress 2021 angefangen hatte, sich mit der Gemeinwohlökonomie zu beschäftigen: „Vieles davon machen wir schon. Das ist gar kein reiner Neustart, sondern vor allem eine Bewusstseinsveränderung im Unternehmen.“ Im Zentrum der Nachhaltigkeit stehe eine alte Kardinalstugend, die auch schon Aristoteles und Platon kannten: Das richtige Maß. „Unser Ego – mehr, höher, weiter – schadet der Umwelt“, so Hubertus Spieler.

Einen tiefen Einblick in das Wasserressourcenmanagement gab Peter Cornel. Er zeigte anschaulich, dass die Hoheit über die Ressource Wasser eine gemeinwohlorientierte Aufgabe ist, die in kommunale Hand gehört. Er gab dabei zahlreiche Tipps und praktische Empfehlungen, wie z.B. die Flächenversiegelung zu minimieren, Einkaufsverhalten anpassen, gebrauchtes Wasser wiederzuverwenden.

Mit diesen theoretischen und praktischen Anregungen schloss der 7. Oberurseler Werte- und Wirtschaftskongress. Der nächste Kongress ist für Mai 2025 geplant. Mehr Informationen zu Programm, Themen sowie Referentinnen und Referenten des Oberurseler Werte- und Wirtschaftskongresses finden Sie unter www.wuw-kongress.de